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Hut- und Frisurenmode

Wie viele pigmentierte, aus verhornten Epithelzellen aufgebaute Fäden sich auf unserem Haupt befinden, lässt sich im Einzelfall nicht haargenau feststellen. Doch es sollen sehr viele sein: im Normalfall zwischen 75'000 und 125'000! Die Haare wachsen in der Regel im Monat einen Zentimeter und können bis zu sieben Jahre alt werden. Meistens folgen neue. Beim Menschen sind die Haare ihrer Funktion der Temperaturregelung des Körpers enthoben worden. Dafür hat die Eitelkeit wohl seit ihrer Geburt von der Haarpracht Besitz ergriffen und lebte sich im Schnitt und in der Farbe aus. Die Sitte des Haarfärbens ist sehr alt, und die Methoden sind zahlreich. Ein altes natürliches Verfahren besagt, dass man, um schwarze Haare blond zu färben, im Monat Mai eine gute Anzahl roter Schnecken sammeln, und sie in eine Büchse mit Salz geben müsse. Dort, wo man die Haare schere und die Stelle mit dieser Salbe bestreiche, sollen dann blonde Haare hervorwachsen. Nicht nur aus Tierleibe bevorzugt man heute zur Haarfärbung andere Methoden! Der Zeitgeist bevorzugte vielfach eine Haarfarbe, oder spottete einer mit Witzen. Bevorzugt wurde meistens das Blond. Die Märchen gaben ihren Heldinnen goldenes, die Volkslieder blondes Haar. Der Aberglaube konzentrierte sich auf den Rotkopf: "Roti Haar - Galgäwaar!"

Karl der Grosse (747 bis 814) tat auch in der Frisurenmode Grosses, als er in Italien sich der Mode beugte und die römische Kurzhaarfrisur annahm. Dieser Haarschnitt war insofern bedeutend, da das lange Haar bis anhin ein Zeichen des freien Mannes war und kurzes das des Knechtes. In der höfischen Zeit liess der Mann sein Haar wieder wachsen. Die Länge wechselte in der Folge von lang zu kurz und so weiter. Änderungen der Haartracht führten jeweils zu einer modischen Kettenreaktion, von welchem Bartschnitt sowie Hut- und Kragenmode betroffen wurden. Das Haar wurde beim Mann sorgfältig frisiert, gewickelt und gebrannt. Sebastian Brant (1457 bis 1521) behauptet im „Narrenschiff“ (1494), dass die Männer ihr Haar mit Harz pufften und es mittels Eiweiss in feste Formen brächten. Wer die natürliche Fülle nicht sein eigen nennen konnte, behalf sich mit der Perücke. Sie war der Frisur aus eigenem Haar vollkommen gleichwertig. Man trug sie ganz offen und schämte sich ihrer nicht. Mit Ludwig dem XIV. kam sie zu königlichen Ehren und die künstliche Lockenpracht eroberte von Paris aus Europa. Die Lieblingsfarbe für Perücken war blond, denn sie sollte den Männern das Aussehen von Löwen verleihen.
Menschenhaar war teuer und mochte den Bedarf nicht zu decken. Man hatte sich mit Ziegen- und Pferdehaar zu behelfen. Für diejenigen Löwen, welche auch noch zur besseren Klasse gerechnet werden wollten, hatten sich ihre Mähne mit Puder einzustäuben. Seit der Perückenzeit hörte der Mann auf, beständig den Hut zu tragen. Die nicht der Mode entsprechende Haartracht rief nach Verboten und rückte deren Träger ins gesellschaftliche Zwielicht. Lange herunter hängende Haare galten - wenn nicht in Mode - als Diebeshaare.

Während des ganzen 18. Jahrhunderts war der Bart streng verpönt: Nur Schauspieler, die Mörder oder Strassenräuber spielten, trugen einen Schnurrbart. Vor allem mit der Französischen Revolution wurde der Haarschnitt zum Ausdruck der poetischen Weltanschauung. Die alten Zöpfe wurden abgeschnitten!

Das Haupt der Weiblichkeit war den Modeströmungen weniger unterworfen, denn seit dem Mittelalter versteckte die verheiratete Frau ihr Haar unter der Haube, wenn sie für ehrbar gelten wollte. Ende des 16. Jahrhunderts schlugen die italienischen Damen bezüglich der Frisurenmode neue, revolutionäre Wege ein. Während Spanierinnen, Französinnen, Engländerinnen, Deutsche und die Frauen hierzulande sich nie mit blossem Kopf zeigten, sondern entweder Baretts oder Hauben trugen, wagten sie die Südländerinnen, sich mit ihrem Haar öffentlich zu präsentieren. Sie trugen es offen, in langen Locken, wenn irgend möglich blond.

Im 17. Jahrhundert folgte die Haarmode allmählich auch im übrigen Europa dem Zug nach Freiheit und Leichtigkeit. Das Haar wurde in der Mitte gescheitelt und fiel zu beiden Seiten in langen Locken herab, oder es würde rückwärts geflochten und hochgesteckt. In Paris überboten sich die Friseure mit modischen Einfällen und fanden hierfür auch immer noch phantasievollere Namen: Hurluberlu! Blumen schmückten das Haar, natürlich nicht ohne zu übertreiben. Die neue Coiffure liess nun auch die Ohren zeigen, sie wurde deshalb die "Unverschämte" genannt. Selbst das eigene und fremde Haar reichte für den neusten Modeschrei nicht mehr aus. Das Haar wurde so hoch aufgetürmt, dass sich Madame eines Kopfaufbaus von Spitze und Band bedienen musste. Die Haare standen nun nicht nur sprichwörtlich zu Berge.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976, S. 105, 309, 325 ff.

Haare
Das Haar, insbesondere das Kopfhaar, hatte eine hohe symbolische Bedeutung. Es stand für Kraft und Leben, war ein wichtiger Teil des Erscheinungsbildes und Ausdruck der Persönlichkeit. In der Zeit vor der Erfindung der Fotografie kam den Haaren noch eine weitaus höhere Bedeutung als Erinnerungsobjekt zu.

Den Haaren wurde eine besondere Verbindung zu einem Mitmenschen zugesprochen. Die Locke eines geliebten Menschen wurde als Erinnerung oder als Talisman getragen (z.B. in einem Medaillon). Ausgekämmte oder abgeschnittene Haare warf man nicht in den Kehricht, sondern ins Herdfeuer. Das Verbrennen der Haare schützte vor magischer Macht. Der Bursche, der die Liebe eines Mädchens gewinnen wollte, zupfte ihr möglichst unbemerkt ein paar Haare aus und nahm sie an sich. Als Verlobungsgeschenk flochten junge Mädchen ihrem Bräutigam aus ihren Haaren eine Uhrenkette. In manchen Familien schnitt man verstorbenen Frauen auf dem Totenbett einige Haare ab. Diese wurden dann von Leuten, die sich darauf spezialisiert hatten, zu Blumen- und Pflanzenimitationen verarbeitet und zu Totenandenken gestaltet. In manchen Stuben hingen solche Bilder an den Wänden. Haaropfer hatten auch als Votivgaben Tradition. Der tiefere Sinn lag darin, dass nach der Lehre der Haarmagie auch abgetrennte Haare mit den Seelenkräften ihres Lebewesens verbunden blieben und selbst Kraftträger der Seele waren. So gelang die persönliche Bindung an oder der Schadenzauber gegen eine Person am besten über deren Haare.

Die Haare galten als Inbegriff der Eitelkeit. Sogar von den Kanzeln der Kirchen wurde vor solcher Hoffart gewarnt. Fromme Leute sagten, dass Hexen sich kämmten, um dem Teufel zu gefallen. Wenn die Mädchen oder Tiere in ihren langen Haaren am Morgen beim Aufstehen Knoten hatten, war das «Toggäli» dafür schuld. Man sah es ungern, wenn man in der eigenen Familie ein rothaariges Kind hatte. Im Allgemeinen begegnete man rothaarigen Menschen mit Misstrauen. Rothaarige Mädchen wurden geradezu missachtet.

Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 250 ff. Literatur: Häner Flavio, Haarbilder, S. 105; Imfeld Karl, Volksbräuche und Volkskultur in Obwalden, S. 300; Watteck Arno, Amulette und Talismane, S. 24 f.; Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 206 f.

         
Kopftuchzwang und schleierartige Tücher (13.-15. Jhdt)
Die verheiratete Frau ging in der Öffentlichkeit während des ganzen Mittelalters mit bedecktem Kopf. Sie verdankte diesen Zwang der Kirche, die sich an die Worte hielt, die der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther richtete: „Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie doch gleich die Haare abschneiden lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden lassen, dann soll sie sich auch verhüllen." Der Mann hingegen durfte sein Haupt nicht verhüllen, weil er nach den Worten Paulus Abbild und Abglanz Gottes sei, die Frau aber der Abglanz des Mannes. Die Verhüllung des Haares sollte also die Abhängigkeit der Frau vom Willen ihres Mannes symbolisieren, der allein das Recht hatte, sich mit blassem Haupte zu zeigen. Nur die Jungfrau trug ihr Haar offen und frei.
Die Frauen trugen im Hochmittelalter um den Kopf ein schleierartiges Tuch, das verschieden drapiert werden konnte. Im 13. Jahrhundert kam bei verheirateten Frauen das "Gebände" auf, eine Art Haube, die mit einem Kinnband festgemacht werden musste. Die jungen, ledigen Frauen trugen bei offenen Haaren einen Stirnreif oder einen Blumenkranz als Zeichen, dass sie noch nicht "unter der Haube" waren. Seit dem 14. Jahrhundert nahm die Kopfbedeckung immer phantastischere Formen an. So kam der Hennin, die hohe kegelförmige Haube der französisch-burgundischen Frauenkleidung im 15. Jahrhundert in Mode. Neben kompliziert geschlungenen Schleiern und Kopftüchern fanden sich bizarr geformte Hauben und seit etwa 1500 auch kecke, breitkrempige Hüte.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Die Bibel, Stuttgart 1980, Paulus, 1. Korintherbrief, S. 1289; Von Boehn Max, Die Mode, München 1976, S. 84 ff.; Meyer Werner, Hirsebrei und Hellebarde, S. 194 ff.

         
Die Kunst der Tüchlerinnen (16. Jhdt)
Im ganzen 16. Jahrhundert wurde in der Schweiz als Kopfputz der Frauentracht das weisse Schleiertuch über der sogenannten Ohrenkappe (auch Sturz oder Stuche genannt) getragen. Dieses stammte aus dem Mittelalter, wo ähnliche Leinenhüllen als Kruseler oder Gebände in ganz Europa Mode waren. Diese Kopfhüllen entsprachen der allgemeinen Ansicht, dass eine verheiratete Frau von ihrem Haar auch nicht das kleinste Teilchen sehen lassen dürfe, dass alles unter der weissen Leinwand verschwinden müsse. Auf dem Lande bestand das Tüchlein aus zwei Teilen. Ein Leinentuch wurde unter dem Kinn angesetzt, dann stramm nach oben geleitet und auf dem Scheitel festgemacht. Ein zweites spannte man von Schläfe zu Schläfe, machte es dort am ersten fest, und führte dann die zwei Enden unter dem Kinn zusammen. Oft wurde das zweite Tüchlein gestärkt oder auch mit Draht gespannt, damit es voller und weiter wirke. Und dieser Sturz erhielt sich auf dem Lande sehr lange, besonders als Leidtracht.
Das Tüchlein wurde teilweise so kunstreich arrangiert, dass die noblen Damen es nicht selber aufsetzen konnten. Jeden Sonntag gingen vor dem Gottesdienst so genannte Tüchlerinnen von Haus zu Haus, um das feine Tüchlein kunstgerecht auf die Haube zu heften.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Curti Notker, Urner Trachten, Festgabe zum 75. Geburtstag von Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 113.

         
Der schwere Hinderfür fiel nicht ins Gewicht (17. Jhdt)
Im 17. Jahrhundert wurde der Hinderfür, eine riesige Pelzkappe, zum Liebling der Frauenwelt. Zwei Jahrhunderte lang sollte sie diesem Kopfputz zum Teil die Treue halten und vor allem diesen immer mächtiger werden lassen. Der Hinderfür setzte sich anstelle der weissen Stuchen auf die Ohrenkappen und liess die Spitzen der Leinenkappe seitlich hervor schauen. Dabei wurde peinlich darauf geachtet, dass kein Härchen unter der Pelzkappe hervor schaute. Als der Hinderfür langsam nach hinten und oben rückte, half man sich mit dem Rasiermesser und machte sich künstlich hohe Stirnen. Es galt weiterhin, als "unehrbar", Haare und Ohren unbedeckt zu lassen. Ein "ehrbares Weibervolk" liess sich bis ins 18. Jahrhundert weder zu Hause noch auf der Strasse jemals ohne Haube blicken. Der Hinderfür war entweder rund oder zweigeteilt zu zwei Spitzen, sogenannten Hörnern geformt. Die guten Stücke bestanden aus Zobel oder Marderpelz und waren deshalb von brauner Farbe. Aber nicht alle Leute konnten sich Zobelfell leisten. Viele Hinderfür wurden aus Sammet oder Seide und später besonders aus dicht aneinander gesetzten Wollenfränseli (ungefähr 100 Meter) hergestellt. Dieser Kopfputz, welcher die stattliche Höhe von bis zu 40 Zentimeter und das Gewicht von 1 Kilo erreichen konnte, wurde mit Hobelspänen, mit Werg oder Schafpelz gestopft. Ob dieser Kopfputz angenehm zu tragen war, viel anscheinend trotz seiner Schwere nicht ins Gewicht: der Hinderfür wurde im Sommer und im Winter getragen. Hinten war die Kappe mit einem Bödeli geschmückt; wem es der Stand erlaubte, liess dieses mit Gold- oder Silberstickereien verzieren.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Curti Notker, Urner Trachten, Festgabe zum 75. Geburtstag von Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 114 ff.; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J., S. 106 ff.

         
Die „Mutschihaube“ – Vorläuferin des Trachtenchäpplis (18. Jhdt)
Im 18. Jahrhundert legten in Uri einige Frauen den Hinderfür nieder und mit ihm auch die Scheu, die Ohren zu entblössen. Damit boten sich einerseits ganz andere Kopfbedeckungen an, andererseits stellten sich nun auch Ohrringe ein. Gleichzeitig mit den Ohren wagte man auch, die Haare zum Vorschein zu bringen. Rasierte Stirnen galten zwar noch als schön, die Haare wurden nun aber teilweise glatt zurückgekämmt. Anstelle des Hintertür setzten die Aristokratinnen ein buntes Chäppli auf die weisse Haube, welches aus Brokat, Damast, reich bestickt oder mit Gold- oder Silberspitzen garniert war. Die weisse Haube wurde nun flach und breit getragen. Für diesen Kopfputz wurde die Bezeichnung "Mutschihaube" geläufig. Es wurde auch Gewohnheit, dass das schwarze Meitlichäppli bei der Heirat nicht mehr abgelegt wurde, sondern unter der weissen Haube weiterhin getragen wurde. Dieses schwarze Meitlichäppli wurde nun noch mit schneckenförmigen, sogenannten Rosen geschmückt, welche aus schwarzen, gesteiften Seidenbändchen bestanden. Diese Mutschihauben wurden auch Gegenstand der Kleiderordnungen in Uri und Ursern.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Curti Notker, Urner Trachten, Festgabe zum 75. Geburtstag von Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 114 ff.; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J., S. 106 ff.

         
Die Ausbildung von regionalen Unterschieden (18. Jhdt)
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts tat sich auf den Köpfen der lnnerschweizer Frauen etwas - und zwar mit regionalen Unterschieden. Unter der weissen Haube trug die verheiratete Frau das schwarze, mit Rosen geschmückte Meitlichäppli. In Unterwalden wurden beide Teile, der weisse und schwarze, immer kleiner und rutschten an den Hinterkopf, wo sie von vorne kaum mehr zu sehen waren. In Schwyz wurde die Rosenkappe immer kleiner und verschwand bald. Dafür bäumte sich die weisse Frauenhaube mit ihren Spitzen hoch und wurde zur Schwyzer "Coiflihube". In Uri wurde das schwarze Meitlichäppli zur Hauptsache, während die weisse Haube sich bescheiden zurückzog und sich im Chäppli versteckte.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Curti Notker, Urner Trachten, Festgabe zum 75. Geburtstag von Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 114 ff.; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J., S. 106 ff.

         
Die Hutmode verdrängt das Chäppli (19. Jhdt)
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wandten sich die Urner Frauen immer mehr der Hutmode zu. Während dem Gotthardbahnbau soll der Kopfputz der Urnerinnen zudem zum Gespött der fremden Arbeiter geworden sein. Im Reusstal legte die Frauenwelt Haube und Chäppli ab. Um 1880 sind in Altdorf bereits keine Chäppli mehr getragen worden. Am längsten hielt sich der typische Urner Kopfputz im Schächental, hier ist er bis ausgangs des 19. Jahrhunderts im Gebrauch geblieben. Mit der Trachtenbewegung kehrte das Chäppli oder Hübli als Bestandteil zur Urner Volkstracht zurück..
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 23, 27.3.1999; Literatur: Curti Notker, Urner Trachten, Festgabe zum 75. Geburtstag von Eduard Wymann, Altdorf 1944, S. 114 ff.; Heierli Julie, Die Volkstrachten der lnnerschweiz, Erlenbach-Zürich, o.J., S. 106 ff.

         
Haarfrisur zeigt die politische Gesinnung (19. Jhdt)
Im 19. Jahrhundert behauptete der Zylinder auf dem Kopf immer noch seine Herrschaft. In den Revolutionswirren von 1848 musste er zwar die Konkurrenz des Filzhutes mit breiter Krempe erdulden, sass dann aber mit der Reaktion umso fester, höher und steifer auf den Köpfen. Das glatt rasierte Gesicht wurde zum Kennzeichen der anständigen, staatserhaltenden Gesinnung. Das Tragen eines Schnurr- oder Vollbartes galt in den Revolutionsjahren noch als politischer Zugehörigkeitsbeweis, wurde jedoch länger je mehr zum modischen Attribut. Lange Haare widersprachen wieder einmal der Mode. Modisch wurden sie nun vom Wirbel nach vorne gestrichen. Der Radikale trug bei den Ohren einen kleinen Bartansatz.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 25, 3.4.1999; Literatur: Von Boehn Max, Die Mode, München 1976.

         
Die Revolution auf dem Frauenkopf (1920er-Jahre)
Vor dem Ersten Weltkrieg wurden zum Rock grosse überdimensionale Hüte getragen. Die Frisur blieb darin zweitrangig verborgen.
In den 1920er-Jahren begann die Frau ihre Haare kurz zuschneiden. Der Schnitt hatte auch einen Namen: Bubikopf! Ungeachtet des Alters und der Gesellschaftsschicht trugen betont modische Frauen kurzes, glatt gekämmtes Haar. Es war das erste Mal, dass sich Frauen den kurzen Haarschnitt des Mannes aneigneten. Jahrhundertelang war das Abschneiden des Frauenhaares eine Form von gerichtlicher Bestrafung gewesen. Im Jahre 1926 wurde der Bubikopf auch zum Titel des Altdorfer Narrenblatts. Die Kurzhaarfrisur blieb für die Frau trotz Protesten in Mode.
Der Hut blieb attraktiv. Mit ihm wollte jede Frau ihren modischen Geschmack beweisen. Die eng anliegenden Kappen der 1920er-Jahre verwandelten sich in kleine, flache Hütchen. Das Entscheidende aber beim Tragen dieses Hutes war, dass er stets schräg, ein Auge fast bedeckend, oder tief in die Stirne aufgesetzt wurde. 1930 war der Bubikopf der Zwanzigerjahre endgültig passé. Die neue Frisurenmode schrieb kinnlanges, leicht gelocktes Haar vor, das den Kopf eng umschleichen und die Ohren nicht bedecken durfte.
Rolf Gisler-Jauch, in: UW 33, 1.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         
Von der Beatle- zur Punkfrisur (1960er und 1970er Jahre)
Zu der sportlichen ungezwungenen Lebenseinstellung der Frau der 1960er-Jahre passte der Hut als Kopfbedeckung wenig, so dass er fast gänzlich aus ihrer Garderobe verschwand. Ausgefallene Hutkreationen sah man vor allem noch bei der englischen Königsfamilie. Hüte wurden nun als unpraktisch empfunden, welche der Frisur schadeten.
Sensationell bis schockierend wirkten in den 1960er-Jahren die Beatles mit ihrer Frisur auf ihre damalige Umwelt. Noch bevor man sich mit der Musik auseinandersetzte, lehnte man ihre Haartracht ab. Die neue Frisur mit den über die Ohren reichenden, Stirn und Nacken bedeckenden Haaren entsprach nicht dem Geist von Zucht und Ordnung, den man seit Generationen überall geschätzt hatte. Die Erwachsenen fanden die fransenartige Frisur der Beatles unmännlich, unsauber und abstossend, während die Jugend sie als "süss, liebenswert und knallig" bezeichnete. Als aber die Welle der Gammler die europäischen Grosstädte erreichte und Jünglinge mit schulterlangen Haaren auftauchten, erinnerten sich viele wehmütig an die doch noch gepflegt aussehende Beatle-Frisur. Bei denjenigen, die auch heute noch das schulterlange Haar schätzen, geschieht dies nicht aus einer Modelaune heraus, sondern es ist Ausdruck eines persönlichen Stils oder einer alternativen Lebenseinstellung. Mit der Haartracht soll Opposition gegen Bürgerlichkeit und konventionelles Denken angedeutet werden. In den 1970er-Jahren wurde der bis ins Genick reichende Herrenhaarschnitt voll akzeptiert. 1978/79 begab sich der modische junge Mann sogar in den Damensalon und liess sich mittels Dauerwellen den Afro-Look machen. Die Punks trugen farbige Hahnenkämme, lrokesenschnitt und Teufelshörner oder schockierten kahlgeschoren als Skinheads. Rolf Gisler-Jauch, in: UW 35, 8.5.1999; Literatur: Loschek Ingrid, Mode im 20. Jahrhundert, München 1988.

         

EREIGNISSE

1905  - Samstag, 26. August 1905
Frauenhüte verdecken Sicht auf patriotisches Schauspiel
Drei modebewusste Damen mit grossen Hüten besuchen die Altdorfer Tellspiele. Eine Frau, welche sich ein solches Ungetüm für gutes Geld angeschafft hat, will dieses auch im Theater tragen, zumal sich viele Frauen in der Öffentlichkeit immer noch nur mit Hut zeigen wollen, denn die Frisuren darunter sind schlicht und einfach. Die Schönheit des Hutes in Ehren, doch versperrt dieser den Zuschauern die Sicht auf das dramatische Geschehen auf der Bühne! Mehrmalige höfliche Aufforderungen an die drei modischen Damen zur Abnahme der mächtigen Hüte helfen da nichts. Schliesslich schreitet der Dorfpolizist ein und nimmt einer Dame kraft polizeilicher Gewalt den Hut ab. Das Publikum wertet diese Tat jedoch nicht als Vandalenakt an der Hutmode, sondern spendete gar Zwischenapplaus.
Gotthard-Post, 26.8.1905.

1926  - Montag, 15. Februar 1926
Das Altdorfer Narrenblatt widmet sich dem Bubikopf
Das Altdorfer Narrenblatt hat den Bubikopf zum Thema. Der Dichter sinniert: "Es begann ein unerhörter Siegeslauf enthaarter Frauenköpfe, die Weltgeschichte begann einen neuen Abschnitt, den Abschnitt des Frauenhaares. Man nennt‘s Vernunft und gebraucht's allein, um bubenhafter als jeder Bub zu sein."
UW 33, 1.5.1999.

1998  - Donnerstag, 24. September 1998
Grosser Erfolg für Frisuren, Mode und Motoren in Altdorf
Zum Auftakt des Klausen-Rallye-Wochenendes findet im "Winkel" eine grosse Show unter dem Motto "Frisuren, Mode und Motoren" statt. Drei Altdorfer Coiffeurgeschäfte zeichnen für den reibungslosen Ablauf verantwortlich. Ebenfalls zu begeistern weiss Schlagerstar Leonard als Präsentator. Das Publikum zeigt grosses Interesse an den Vorführungen.
UW 75, 26.9.1998

 
SOZIALWESEN

Öffentliches Sozialwesen

GESELLSCHAFT

Die Urner Gesellschaft
Ab- und Auswanderung
Abtreibung der Leibesfrucht
Armut und Hunger
Ethik und Gentechnik
Feste und Feierlichkeiten
Flüchtlings- und Asylwesen
Gleichberechtigung
Homosexualität
Invalidität / Körperbehinderung
Katastrophenhilfe
Kult
Rassismus
Schönheitsideal
Selbstmord, Suizid
Sitte und Moral
Soziale Vereine und Serviceclubs
Sozialhilfe, Sozialdienste
Sozialversicherungen
Zuwanderung, Ausländer

MODE

Kleidermode
Uniformen
Frisurenmode

 

 

 

Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 22.03.2015