Sagenthemen
SAGENTHEMEN
Das Tanzen in der Urner Sage
In der Urner Sage birgt der Tanz immer etwas Unheimliches in sich. Der Tanzboden bot die Möglichkeit, über die Schnur zu hauen. Hier war der Ort, wo das von der katholischen Kirche diktierte sittenstrenge Normverhalten überschritten wurde. Kirche und Staat erlaubten höchstens das Tänzchen in Ehren. Diese Ebene wurde verlassen, wenn man sich bodenlos lustig gab, es gar mordslustig wurde und die ausgelassene Gesellschaft die ganze Nacht hindurch tanzte und soff und «haleegerte». Wenn der Tanzanlass so ausartete, war der Teufel bestimmt nicht weit. Wohl schaute er den Tanzenden schon durch das Fenster zu. Auch nach Eduard Renner (1891–1952), dem Verfasser des Buches «Goldener Ring über Uri», lauerte auf dem Tanzboden Unheil, und man tat gut daran, diesem und jenem sein Glas hinzuhalten und ihn zu bitten, einen Trunk daran zu nippen: «Tuä mèr Bscheid», denn hier schieden sich die Wohl- und Übelgesinnten allzu rasch in Feindschaft und Streit. Der Teufel trat in der Sage auch als Tänzer auf und erschien als fremde elegante Gestalt, welche in der Gesellschaft am besten und mit den schönsten Mädchen tanzte. Plötzlich hörte man dann ein eigenartiges «Träppälä», und beim fremden Tänzer kamen Bocksfüsse unter den Hosenbeinen zum Vorschein. Mädchen, welche sich gegen den Rat des Vaters zu einem Tanzanlass begaben, mussten erfahren, dass an diesem Abend nur der Teufel mit ihnen tanzte. Dies konnte auch der Tanzschenker sein. Der Einzige, welcher den ungebetenen Gast aus dem Tanzlokal vertreiben konnte, war der Dorfpfarrer. Der Tanzboden wurde damit zum Kampfplatz der Geistlichkeit gegen das Böse um die Seelen der Tanzenden. Die Sage stand hier im Dienst der Erziehung zur Sittenstrenge und war für die Geistlichkeit ein willkommenes Instrument, um dem Volk einzutrichtern, dass der Tanzboden ein Ort war, wo man Gefahr lief, dem Teufel zu begegnen. Die Sage sollte das tanzlustige Jungvolk warnen, die von der Kirche diktierte Ebene des ehrsamen Tänzchens zu verlassen und sich ausgelassener Stimmung hinzugeben. Die gleiche erzieherische Wirkung erhofften sich die Eltern, indem die Sage den tanzlustigen Kindern mit dem Teufel drohte, wenn die Jugend die Tanzlust befiel.
Literatur: Gisler-Jauch Rolf, Fasnächtliches Uri, S. 20.
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