Der Nationalfeiertag im Detail
1997
Freitag, 1. August 1997
Sujet:
Margerite-Blume mit Schweizer Wappen als Blütenblatt
Zweck der Bundesfeierspende:
Naturlandschaften, zur Verteilung durch den Fonds Landschaft Schweiz (FLS)
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Wort des Landammanns zum Bundesfeiertag 1997
Landammann Dr. Hansruedi Stadler-Ineichen
«Wieder Tritt fassen
Die Diskussion um die Politik der Schweiz und die Rolle der Banken während des 2. Weltkrieges ist für unser Land eine Herausforderung, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr gekannt haben. Die pauschalen Anwürfe der letzten Wochen haben uns alle aufgewühlt und dürfen uns gerade am Nationalfeiertag nicht «kalt lassen», denn das Ansehen unseres Landes wird dadurch über Jahre geschädigt.
Einäugige Pauschalabrechnung
Mit dem Vorwort im sogenannten Eizenstat-Bericht der amerikanischen Regierung glaubt man «bewiesen» zu haben, was die Herren D’Amato und Co. seit längerer Zeit in absoluter Voreingenommenheit und Einseitigkeit behaupten. Die Neue Zürcher Zeitung stellte vor kurzem fest, dass diese moralische Selbstgerechtigkeit jenseits des Ozeans sehr an die Hexenjagden eines anderen Senators in den 50er Jahren erinnere. Die Desinformationskampagne gegen die Schweiz hat heute eine kaum kontrollierbare Eigendynamik erreicht. Selbst das Schweizer Fernsehen DRS ist bei dieser Hetzjagd der BBC auf den Leim gekrochen. Alle Fakten, welche zu einem ausgeglichenen Gesamtbild der Schweiz beitragen könnten, werden ausgeblendet.
Jede Münze hat zwei Seiten
Sicher gab es während des 2. Weltkrieges auch bei uns Anpasser und problematische Entscheide von Behörden. Ebenfalls ist die damalige Rolle der Banken und der Wirtschaft zu klären. Es gab auch Leute, die damals mit dem Krieg ohne moralische Bedenken gute Geschäfte gemacht haben. Hier wollen wir nichts beschönigen.
Denken wir aber auf der anderen Seite an die Soldaten unserer Armee, die mehrere Jahre Militärdienst an der Schweizer Grenze geleistet haben und jederzeit bereit waren, unser Land zu verteidigen. Zahlreiche Frauen und Männer haben ausserordentliche Hilfe geleistet und auf eigene Verantwortung Flüchtlinge gerettet. Trotz der Einschüchterung der Nazis blieb unser Land der Demokratie und den Menschenrechten treu. Vergessen wir überdies auch nicht, dass die schweizerische Presse jener Zeit die einzige freie, scharf antinazische Presse im deutschen Sprachraum war. All diesen Menschen sind wir auch heute zu einem grossen Dank verpflichtet. Dies sind Fakten, die zu einem ausgeglichenen Gesamtbild der Schweiz gehören.
Moral verpflichtet alle gleich
Die Schweiz bemüht sich heute, wie kein anderes Land, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, eine Pflicht, die alle Staaten betrifft. Dabei geht es nicht nur um die Aufarbeitung des 2. Weltkrieges. Themen wären unter anderem die Geschichte und die Schicksale der Schwarzen und Indianer in Amerika, der Kurden, der Palästinenser sowie der grauenhafte Bürgerkrieg in Bosnien. Eine moralische Gewissenserforschung bedarf nicht nur eines Blickes in die Vergangenheit. Moral verpflichtet alle gleich, ob Gross oder Klein, ob in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft.
Blick in die Zukunft
Wir haben die Bemühungen um die Aufarbeitung der Vergangenheit und weitere eingeleitete Massnahmen fortzusetzen. Dabei brauchen wir heute - und nicht am St. Nimmerleinstag - historische Fakten, die unsere Argumentation in den heftigen Auseinandersetzung untermauern. Überdies haben wir eine klare Strategie zum langfristigen Aufbau unseres Ansehens im Ausland zu verfolgen.
Vor lauter starren in die Vergangenheit dürfen wir aber den Blick und den Schritt in die Zukunft nicht verpassen. Auch dürfen unsere Kräfte nicht allein durch die gegenwärtige Diskussion blockiert werden. Unser Weg in die Zukunft muss unter anderem weiterhin geprägt sein durch: Freiheit und Toleranz, Solidarität, Verantwortung vor dem Leben, Offenheit gegenüber Neuem und Mut zum Wagnis. Diese Begriffe dürfen nicht Worthülsen bleiben, sondern sind in der täglichen Politik mit Inhalt zu konkretisieren. Daraus wird neues Selbstvertrauen und Zukunftsglauben wachsen. Dabei dürfen wir uns innenpolitisch nicht durch ein gegenseitiges Hick-Hack blockieren, sondern müssen uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass unser Land weiterhin für uns Heimat bedeutet, Heimat als Ort, wo man sich wohl fühlt, zwischenmenschliche Beziehungen pflegen und sich entfalten kann. So wird die durch die Diskussion über die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg entstandene «Faust im Sack» auch zur offenen Hand.»
25.07.1997
/
Abl UR 1997, S. 1044 f.
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