Das Busssakrament (Beichte)
Die Beichte nahm in der Bevölkerung als Sakrament einen hohen Stellenwert ein. In der Kinderlehre beanspruchte die Einführung in die Beichte einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren. Die Kinder durften während dieser Zeit bloss beichten, aber nicht kommunizieren. Für Erwachsene war der Kommunionsempfang nur mit unmittelbar vorausgehender Beichte üblich. Deshalb war der häufige Kommunionsempfang eher die Ausnahme. In den Familien löste die Beichtpraxis brauchtümliche Regelmässigkeiten aus (z.B. wann geht wer zur Beichte). Auf einer Wallfahrt ging man am Wallfahrtsort zur Beichte und Kommunion.
Die Hochfeste der Kirche und ihre jeweiligen Vortage galten als Beichttage. Es war Brauch, dass man an diesen Tagen zur Beichte und Kommunion ging. Diese Beichtpraxis gehörte zum selbstverständlichen Brauchtum einer katholischen Pfarrei und prägte das Zusammenleben der Menschen in der Pfarrei ganz wesentlich mit. Vor den Beichtstühlen musste man oft eine Stunde oder noch länger anstehen.
Bei einem jähen Tod war es für den Pfarrer und die Angehörigen ein Trost, wenn der Dahingeschiedene kurz vorher die Beichte abgelegt hatte. Seit der Einführung der gemeinsamen Bussfeiern, heute Versöhnungsfeiern genannt, zählen die Beichtstühle in den Kirchen eher zu den stillgelegten Antiquitäten.
Die Erfüllung der Beichtpflicht (Beichte und Kommunionsempfang) wurde streng kontrolliert. Daher gab es Bestätigungen vom katholischen Pfarrer bzw. kleine Andachtsbilder, die der Sigrist an die Kommunikanten verteilte. So konnte er auch die Anzahl der Teilnehmenden leicht ermitteln.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Kraft aus einer andern Welt, S. 77 ff. Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 74 f., Muheim-Büeler Josef, Domus, S. 231.
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DAS BUSSAKRAMENT IM VOLKSGLAUBEN
Ablass
Einer Person, die gesündigt hatte, konnte zwar die Sünde vergeben werden. Sie musste nach der römisch-katholischen Lehre aber mit einer Bestrafung im Jenseits rechnen, z. B. mit einem längeren Aufenthalt im Fegfeuer (Purgatorium). Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein spielte das Ablassgewinnen eine nicht unbedeutende Rolle im volkskatholischen Glauben.
Schon früh sanktionierte die Kirche disziplinarische Vergehen mit Bussen, dem Ablass. Im 12. Jahrhundert wurde der Geltungsbereich des Ablasses ausgedehnt. Die Kirche ermöglichte den Gläubigen, die drohenden zeitlichen Sündenstrafen (etwa den Fegfeueraufenthalt, im Unterschied zum allfälligen ewigen Aufenthalt in der Hölle nach dem Jüngsten Gericht) durch bestimmte Leistungen (Gebete, gute Werke und Spenden) im irdischen Leben abzubüssen. Später konnten derartige Ablässe sogar für bereits verstorbene Personen gegen Bezahlung erworben werden. Im Verlauf des Spätmittelalters wurde der Ablasshandel zu einer wichtigen Einnahmenquelle der Kirche. Martin Luther und andere Reformatoren kritisierten den Ablass heftig und schafften ihn ab.
Noch im religiösen Verständnis des 19. und 20. Jahrhunderts hatte jeder Mensch Busse zu tun, um das Leiden im Fegfeuer zu verkürzen. Wohlhabende Gläubige kauften sich Ablassbriefe (von der Kirche ausgestellte Urkunden), die den Käufer seiner Sünden entbanden. Wer sich das nicht leisten konnte, musste entweder das oft komplizierte kirchliche Verfahren zum Sündenerlass durchlaufen oder eine andere Busse tun. Aufgrund der Absolutionsvollmacht beeinflusste ein Sünder mit einer Pilgerreise seine Zeit im Fegfeuer. Der Ablass tilgte also gegen Leistung bestimmter guter Werke, Gebete oder Handlungen (z. B. bis in die 1930er-Jahre durch den Besuch von Heiliggräbern am Karfreitag) zeitliche Sündenstrafen. Mit dem Ablassgewinnen fiel man nicht mehr so tief ins Fegfeuer.
Auch auf gesegneten Gegenständen (z. B. auf Andachts- oder Leidbildchen) konnte ein hoher Ablass sein. Effektvoll gestaltete Urkunden verliehen bestimmten Kirchen und Kapellen das Vorrecht des Ablasses, wenn man sie besuchte und dabei bestimmte Bedingungen erfüllte. Kardinäle beglaubigten den Ablassbrief. Öfters verliess der Beter oder die Beterin mehrmals die Kirche, um wieder einzutreten und das Ablassgebet zu wiederholen. Auf «Leidhelgèli» wurden Gebete abgedruckt, die mit einem Ablass verbunden waren.
Während der Seelenzeit (Allerheiligen oder Allerseelen) gewann man mit Gebeten (fünf oder sechs «Vaterunser») Ablass für die Armen Seelen. Sie warteten darauf und waren dankbar.
Autor: Walter Bär-Vetsch, Volksfrömmigkeit, S.19 f. Literatur: Zihlmann Josef, Seite 19 f.
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Kreuzwegandacht
In Kirchen und grösseren Kapellen waren Stationenbilder angebracht, die die vierzehn Stationen des Leidensweges Christi von der Verurteilung bis zur Grablegung zeigten. Die Betrachtung dieses Leidensweges nannte man Kreuzwegandacht, auch Stationenandacht. Sie war mit Ablass verbunden. Die Leute gingen an den Freitagen der Fastenzeit in der Kirche von einem Stationenbild zum andern, um die Bilder zu betrachten und dabei zu beten.
An manchen Orten befanden sich am Weg zu einer Kapelle Stationenbilder in der Form von Bildstöcken. Vorbild dieser Anordnung war der Weg nach Golgatha. Höhepunkt war die zu besuchende Kapelle (meist eine Wallfahrtskapelle). Viele Wallfahrer beteten auf dem Weg zur Kapelle die Kreuzwegandacht (d Schtazionä gmacht).
Auch Wegkreuzungen wurden als Kreuzweg bezeichnet. Es herrschte die Meinung, dass dort das Übernatürliche am mächtigsten wirkte. Daher wurden solche Orte für schützenden und bösen Zauber sowie Orakel bevorzugt. Dort geäusserte Wünsche sollten sich erfüllen.
Autor: Bär-Vetsch Walter, Aus einer anderen Welt, S. 364; Literatur: Zihlmann Josef, Volkserzählungen und Bräuche, S. 286.
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DAS BUSSSKARAMENT IN DER URNER SAGE
Messlesen zur Erlösung von Armen Seelen
«... Als sie ihn später wieder sah, redete sie ihn an und fragte ihn, was ihm fehle. Da bat er um einige Messen, die er noch zu seiner Erlösung nötig habe. Die Frau liess sie lesen, und der Senn wurde nicht mehr gesehen.»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 935.
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Zehn Messen zur Erlösung
«... und sagte es einem Kapuziner. Der begleitete ihn am nächsten Morgen und redete die Erscheinung (Arme Seele) an. Diese sagte, dass ihr nur zehn Messen fehlen, so wäre sie erlöst, aber sie habe eben nur arme Verwandte, die es nicht vermögen, solche für sie lesen zu lassen. ...»
Müller Josef, Sagen aus Uri, Sage 807.
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SAKRAMENTE
FAMILIE
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