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Rindviehrassen in Uri



Seit den 1950er-Jahren hielten die Traktoren und Motormäher Einzug auf den Bauernhöfen und machten die tierische Zugkraft zunehmend überflüssig. Diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf die Zuchtziele. Eine Beschränkung auf die Zweinutzung wurde ökonomisch sinnvoll. Wie in anderen Ländern begann auch in der Schweiz die Milchleistung ins Zentrum der züchterischen Bestrebungen zu rücken. Die vier traditionellen Tierrassen gerieten in Bedrängnis.

Das Prinzip der Reinzucht geriet unter Druck
Zur Steigerung der Milchleistung beim einheimischen Vieh wurde die Milchleistungsprüfung (MLP) ausgebaut. Parallel dazu wurde die künstliche Besamung für diejenigen Züchter von Interesse, welche die Milchleistung erhöhen wollten.
Weil bei der KB der Samen über weite Distanzen transportiert werden konnte, kam auch das Prinzip der Reinzucht unter Druck. Die Zuchtverbände wehrten sie sich bis Mitte der 1960er-Jahre gegen die Kreuzung von schweizerischen Mehrfachnutzungsrassen mit ausländischen Milch- oder Mastrassen und setzten sich für die Beibehaltung der Rassengebiete ein.
Die beiden grossen Zuchtverbände des Simmentaler Fleckviehs und des Braunviehs begegneten der KB anfänglich grossmehrheitlich mit Skepsis bis zur offenen Ablehnung. Die künstliche Besamung stellte letztlich das Zuchtziel der Mehrfachnutzungskuh in Frage, weil sie sich besonders gut zur Steigerung der einseitigen Zuchtziele (Fleisch- oder Milchproduktion) eignete. Es wurde befürchtet, dass mit der Einführung der KB die «Gebirgstüchtigkeit» aller Rassen in der Schweiz verlorenginge. Man argumentierte damit, dass auf den klein- und mittelbäuerlich geprägten Landwirtschaftsbetrieben die Futtergrundlage für die Haltung einseitiger Leistungstiere gar nicht vorhanden war und Zukäufe sowie den vermehrten Einsatz von Kraftfutter nach sich ziehen würde.
In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre setzte ein Gesinnungswandel ein. Die KB wurde akzeptiert. Sachlich entscheidend war dabei der Ausbau der Nachzuchtprüfungen (NZP), die dank dem Einsatz von tiefgefrorenem Samen in einem grossen Umfang möglich wurden. Mit der NZP konnte die Vererbungseigenschaften von Stieren an den Leistungen der Nachkommen empirisch überprüft und gezielte Paarungen mit leistungserprobten Kühen durchgeführt werden.

Künstliche Besamung
Die Künstliche Besamung (KB) ist eine Methode zur Zeugung von Nachkommen, bei der Sperma von männlichen Zuchttieren gewonnen und instrumentell in die Geschlechtsorgane weiblicher Zuchttiere eingeführt wird. Vorteile gegenüber der natürlichen Besamung durch Begattung (Natursprung) sind, dass besondere Vererber und Veredler als Vatertiere genutzt werden können, die an weit entfernten Orten leben. Weitere Pluspunkte sind der Schutz vor Deckinfektionen und Verletzungen, die Entlastung stark frequentierter Vatertiere sowie die Besamung von sehr vielen weiblichen Tieren. In der Rinderzucht wird vor allem Gefriersperma verwendet.
Die Swissgenetics Genossenschaft mit Sitz in Zollikofen ist der grösste Schweizer Produzent und Vermarkter von Sperma für die künstliche Besamung. Neben der Versorgung von Schweizer Rindviehhaltern exportiert die Firma auch Sperma und Embryonen.
1960 wurde der Schweizerische Verband für künstliche Besamung (SVKB) gegründet. 1963 wurde die erste Schweizerische Besamungsstation in Neuenburg in Betrieb genommen. Es folgten weitere Stationen. 2007 wurde der neu erbaute Geschäftssitz in Zollikofen bezogen. 1966 wurde mit der Einführung des Samen-Gefrierverfahrens eine Viehzuchtrevolution erreicht. Jede dritte inländische Samendose wird exportiert.

Die Einkreuzung beginnt schwarz-weiss gefleckt Die einheimischen Schwarzfleck-Viehherden («Freiburger») hatten zu diesem Zeitpunkt nur noch in einigen Regionen der Kantone Freiburg, Neuenburg und Basel Bestand. Das Überleben der Rasse war gefährdet, da keine neuen Genossenschaften mehr gegründet werden konnten. Als Folge der Bestandsabnahme nahm der Blutverwandtschaftsgrad stark zu. So kam der Erbfehler, der auf einen einzelnen Stier zurückging, immer häufiger vor, und die Lage der Rasse war mehr als prekär.
Um diesen Erbfehler beim Freiburger Schwarzfleckvieh zu beheben, erlaubten die Bundesbehörden in den 1950er- und 1960er-Jahren erstmals die Paarungen von Freiburger Schwarzfleckkühen mit Stieren der milchbetonten Holstein-Friesen-Rasse. Die erzielten Fortschritte in der Milchleistung hatten zur Folge, dass die auf eine Mehrfachnutzung ausgerichtete Freiburger Schwarzfleckviehrasse innerhalb von 15 Jahren vollständig ersetzt wurde. Das Streben nach Reinrassigkeit geriet dann auch beim Simmentaler Fleckvieh unter Druck. Der Import von Montbéliard-Vieh und -Samen blieb verboten. Man behalf sich im Waadtländer Jura somit illegal in Frankreich. So kam es zum «Guerre des vaches». Das Verbot, Tiere unterschiedlicher Rassen zu kreuzen, wurde 1966 aufgehoben.

Die Schweizer Rinder erhalten Blutauffrischung aus Übersee
Die gewonnenen Resultate der Kreuzungsversuche führten dazu, dass bei den Züchtern die Vorstellungen vom besonderen Wert der Rassenreinheit zu verblassen begannen. Die steigende Nachfrage nach entweder milch- oder fleischbetonten Tieren führte dazu, dass die Züchter das entsprechende Erbgut über die Kreuzung mit Milch- oder Fleischrassen erreichen wollten. Die Gesetzgebung wurde dem geänderten Bedürfnis angepasst. So wurden die Schwarzfleck-Rinder nun mit milchbetonten Holstein-Stieren aus Nordamerika gekreuzt. Die Entwicklung war rasant.
Um 1980 begannen Urner Bauern zur Holstein-Rasse zu wechseln. Man war mit der Milchleistung des Braunviehs nicht mehr zufrieden gewesen. Die Holstein-Kuh Decrausaz Iron O’Kalibra aus dem ehemaligen Stall der Gebrüder Tino und Valo Gisler, Bürglen, (GS Alliance, Familie Steiner) wurde 2013 und 2016 gar Weltsiegerin.

Die amerikanische Verwandtschaft des Braunviehs kehrt zurück
Beim Braunvieh stand bis in die 1970er-Jahre die Vielseitigkeit im Vordergrund. Einzelne Züchter hatten jedoch genug von den «Schaukühen» und gaben den Produktionstypen den Vorrang. Die Euter sollten den Melkmaschinen angepasst werden, und zugleich musste die Milchleistung gesteigert werden, um auch mit den anderen Milchrassen konkurrieren zu können. Um eine grössere Milchleistung zu erreichen, wurden seit Mitte der 1960er-Jahre in Nordamerika gezüchtete Brown-Swiss in die einheimische Braunviehrasse eingekreuzt. Im Gegensatz zum Fleckvieh wurden bei der Kreuzung von Braunvieh Tiere verwendet, die in Nordamerika zwar zur Milchproduktion gezüchtet wurden, jedoch ursprünglich der gleichen Rasse entstammten. Die sichtbaren Verbesserungen der ersten Brown-Swiss-Kühe führten auch dank der künstlichen Besamung zu einer rasanten Dezimierung des traditionellen Braunvieh-Bestandes. Dieser drohte innert weniger Tiergenerationen völlig verdrängt zu werden (Verdrängungskreuzung). Mit der Gründung der Vereinigung zur Erhaltung des Original Braunviehs wurde im Jahre 1981 Gegensteuer gegeben. Das Original Schweizer Braunvieh (OB) mit reinem Schweizer Blut sollte als Zweinutzungsrasse erhalten bleiben. Die Dezimierung konnte gestoppt werden. Heute liegt der Bestand bei rund 4 Prozent des Braunviehbestandes.

Originalbraunvieh und Brown Swiss
Um eine grössere Milchleistung zu erreichen, wurden seit Mitte der 1960er-Jahre in Nordamerika gezüchtete Brown-Swiss in die einheimische Braunviehrasse eingekreuzt. Das Original-Braunvieh wurde zurückgedrängt, konnte sich jedoch halten.
Ab den 1970er-Jahren und mit der Aufhebung der Milchkontingentierung begannen sich die Zuchtziele nochmals zu ändern. Die Zweinutzung blieb zwar bestehen; es wurden nun – durch den Betrieb und das Gelände bestimmt – auch auf Milch oder Fleisch (Mutterkuhhaltung) spezialisierte Rassen gezüchtet. In der Reussebene erfolgte die Einkreuzung von roten und schwarzen Holstein sowie die Züchtung von auf die Milchproduktion gezüchteten Brown Swiss aus Nordamerika. Die grossen schweren Tiere sind ideal für die Reussebene.

Mit dem Grauvieh aus dem Tirol kehrte eine alte einheimische Rasse zurück. Mit den Evolèner und den Hinterwälder fanden zwei alte Rassen aus dem Wallis und dem Schwarzwald nach Uri. Das Simmentaler Fleckvieh vervollständigt das ehemalige schweizerische Spektrum. Den Evolèner verwandt sind die Tuxer aus dem Zillertal. In der Reussebene werden zur Fleischzucht mit Mutterkuhhaltung vor allem auch zwei französische Viehrassen (Limousin, Aubrac) gehalten.
Mit dem neuen Tierschutzgesetz wurden auch Mindestmasse für Liegeplätze vorgeschrieben. Es wurden somit auch kleinere Rinder (Jersey, und Dexter). Beliebt sind auch die Rassen aus Schottland: Angus, Galloway und die Schottischen Hochlandrinder. Das Zebu und der Yak machen die Urner Rindviehwelt sogar international.
Anfang 2017 gab es somit 17 Rindviehrassen in Uri.

Literatur: Gisler-Jauch Rolf; Die Geschichte des Rindviehs in Uri, in: Historisches Neujahrsblatt Uri 2017/18, S. 9 ff.

RINDVIEHRASSEN IN URI

Angus > Detailansicht
Aubrac > Detailansicht
Braunvieh, Brown Swiss > Detailansicht
Braunvieh, OB > Detailansicht
Dexter > Detailansicht
Evolène > Detailansicht
Galloway > Detailansicht
Grauvieh > Detailansicht
Hinterwälder > Detailansicht
Holstein > Detailansicht
Jersey > Detailansicht
Limousin > Detailansicht
Schottische Hochlandrinder > Detailansicht
Simmental > Detailansicht
Tux-Zillertaler > Detailansicht
Yaks > Detailansicht
Zebu > Detailansicht

 
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Texte und Angaben: Quellenverweise und Rolf Gisler-Jauch / Angaben ohne Gewähr / Impressum / Letzte Aktualisierung: 22.3.2018