GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Erstfeld «Dorf der Lokomotiven! Faszinierende Welt geballter und gebändigter Kraft! Lass mich dich mit allen meinen Sinnen erfassen: Mein Auge ist geblendet vom metallenen Gewirr deiner Schienenstränge; das trockene Kreischen bremsender Züge, der schwere Schritt der Bahnarbeiter auf dem groben Schotter, das helle Kling-klang, Kling-klang der Bahnhofglocke liegt mir im Ohr; und in meine Nase steigt der schwache Geruch von Maschinenöl und geteerten Eisenbahnschwellen. All dies war schon so, als der erste Zug gotthardwärts fuhr. In Gedanken sehe ich die schwarzen Ungetüme von damals auf den blitzenden Geleisen stehen und ungeduldig auf das Zeichen zur Abfahrt warten, prustend und schnaufend, ächzend und zischend, weisse Dampfwolken ausstossend, mit messingblanken Hebeln, Rädern und Schildern, mit einem glühenden Auge mitten auf der Stirne wie der nächtlich wandelnde Scheibenhund! Und aus dem Fenster des Dampfrosses beugt sich, mit rotem Halstuch, öl- und russverschmiert, der Heizer. ,,Erstfeld? – Kein schönes Dorf!" sagte mir neulich einer. Wie hat er sich getäuscht! Die Signale und das dichte Netz der Geleise und Fahrleitungen, die jetzt im strengen Schwarz-Weiss des Winters zur symbolhaften Zeichensprache werden,-hätte nichts Packendes an sich? Daneben aber seien deine verhalteneren Reize nicht vergessen: Das wilde Tal, das sich hinter dir öffnet, die altertümliche Wallfahrtskapelle unten an der Reuss, mit ihrer Unzahl von Votivtafeln, und das Bett der Reuss selber mit den runden, vom Wasser geschliffenen Steinen. Deine stilleren Schönheiten werden überdeckt vom geschäftigen Treiben rangierender Züge; es gilt, sie zu entdecken!» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------