GEMEINDEN

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«Das Urner Dorf» von Karl Iten

Schattdorf «Aus dem warmen Ziegelrot und dem stumpfen Erdbraun der Dächer, aus den flammenden, schwelenden Farben des Herbstlaubes der Obstbäume, wächst schlicht und einfach wie ein Volkslied das lichte Wunder deiner Pfarrkirche. Welch jubelnder Gottesglaube spricht doch aus diesem Gotteshaus! In seinem Innern schlagen mir Goldglanz und Farbenfülle entgegen. Wie schimmern die alten Altäre mit ihren Vergoldungen und farbigen Lasuren; sie sind liedgewordenes Holz! Die Sonne entzündet auf dem schwungvollen, goldenen Rankenwerk und auf den faltenreichen, von einem imaginären Wind geblähten Gewändern der barocken Heiligen ein himmlisches Feuerwerk. In mehrfacher Reihung stehen die gewundenen Säulen und Säulchen - ländlich-fröhliche Abwandlung von Berninis Hauptaltar in Sankt Peter zu Rom. Zahllose Pilger haben einst dein Gnadenbild in kindlich-vertrauensvollem Glauben aufgesucht. Noch heute künden uralte Votivbilder von Hilfe in grossen Nöten und vom Verlass auf die geistige Kraft, die von hier ausstrahlte. Welch ein Land, das neben seine schlichten, schmucklosen Häuser solche Kirchen stellte! Als seltsamen Gegensatz zu ihrem Prunk empfinde ich das ernste Dorf, dessen geduckte Häuserschar sich am Fusse des schattigen Hanges zusammendrängt. – Deine Lage, Schattdorf, gibt dir etwas Unbestimmtes: Soll man dich noch dem Schächental, oder schon dem Tal der Reuss, oder gar der Reussebene zuzählen? Müssige Frage! Der mächtige Sog vom Norden zum Süden ist auch hier, am Rande, noch zu spüren, und sei es nur in der blauen Bergwand, der du gegenüberliegst, und deren kühne Gipfellinien unaufhaltsam gotthardwärts fliehen, oder sei es im gedämpften Klang der Züge, die in den stillen Nächten, fern im Tale, südwärts rollen.» Iten Karl; Eine beschauliche Reise durch den Kanton Uri festgehalten in einer Folge von Linolschnitten und Texten von Karl Iten; Altdorf 1968. -------------------------